Die Gründungsphase: Stu­dentische Ferienla­ger als ka­ritative Hilfe für Berliner Kin­der

Aufruf des Bundespräsiden­ten zur Unterstüt­zung von Berliner Ferienkindern

Theodor Heuss, Bundespräsi­dent bis 1959 und Schirmherr der Stiftung “Hilfswerk Berlin” sowie der ARD-Fernsehlotterie „Ein Platz an der Son­ne“, ver­öffentlichte schon 1956 einen Appell zur Un­terbringung von Westberliner Ferienkindern im Bundesgebiet. Finanzielle Hil­fen des Bundes und der Wirt­schaft waren in der Stiftung Hilfswerk Berlin zentralisiert, hier wurde über Förderanträ­ge entschieden. Mittel waren vor­handen, aber es gab zu weni­ge Plätze für die Kinder. Einige Stu­denten des Clausthaler Wingolf, einer christlich orien­tierten Studentenverbindung, fühlten sich ange­sprochen, sammelten Informationen und be­schlossen, im Sommer 1959 für besonders be­nachteiligte Berliner Kinder auf eigene Faust eine Ferien­freizeit in der Skihütte der Bergakademie zu orga­nisieren. Zu diesem Zweck wurde der “Ausschuss der Bergakademie Clausthal für Ber­liner Ferienkinderaktion­en” gegründet.

Clausthal hat noch heute zu­sammen mit Zeller­feld etwa 15.000 Einwohner. Die Berg­akademie Clausthal im Ober­harz – seit 1968 Technische Universität Clausthal (TUC) – gehörte Ende der 50er Jahre mit ca. 1000 eingeschriebenen Stu­denten zu den kleinsten Hochschulen im Land. Das Studentenleben war über­schaubar, die Ski­hütte der Bergakademie stand für Ver­anstaltungen und Sportaktivi­täten zur Verfügung.

Auf die Initiative der Claustha­ler Studenten re­agierte die Berliner Senatsverwaltung ebenso mit Ab­lehnung wie die Stiftung Hilfswerk Berlin. Ko­operation und finanzielle Un­terstützung wurden ver­weigert, weil man den Studenten nicht zutrau­te, dieser Aufgabe ge­wachsen zu sein. Ihr Anlie­gen brachte die herkömmlichen Strukturen durcheinander, die Idee der studentischen, in Ei­genregie geplanten Initiative – ohne ausgebilde­tes Personal! – galt gar als überheblich und an­maßend. Zur Zusammenar­beit bereit waren statt­dessen kleine Berliner Organisationen und Sozia­lverbände.

Die Finanzierung der Aktion gelang durch Spendensamml­ungen, Studentenschaft samt Lehrkör­per der Bergakademie unterstützten das Vorha­ben dieser Gruppe. Schließlich konnten im Som­mer 1959 drei­ßig Jungen auf dem Harzer Son­nenberg mit fünf gut vor­bereiteten Bergbaustu­denten ge­meinsame vierwöchigen Er­holungsferien verbringen.

Der Kreuzberger Bürgermeis­ter Kressmann und dessen Sozialrätin überzeugten sich auf einer Rundreise vom Wohlergehen der Kinder, spra­chen mit begeisterten Jungen und sagten zu, sich im darauf folgenden Jahr für die Teilnah­me von Kindern aus Berlin-Kreuzberg einsetzen zu wol­len. 1960 und 1961 waren auch die nächsten Aktionen unter gleichen Umständen er­folgreich.

Gründung des Vereins „Stu­dent für Berlin e.V.“ – Kreati­ve Finanzierung der Arbeit

Nach dem Mauerbau im Au­gust 1961 sollten das Vorha­ben ausgeweitet und im Folge­jahr 350 Kin­der in zehn Ferien­lagern im Harz, Solling und Deister von 50 Studenten be­treut werden. Als Entsendes­telle beteiligte sich die Berliner Innere Mission. Es wurde nun der Verein “Student für Berlin e.V.” gegründet, 1962 im Ver­einsregister eingetragen und als gemeinnützig anerkannt.

Schwierigkeiten gab es bei der Finanzierung der Ferienaktio­nen 1962. Das Hilfswerk Berlin war immer noch ablehnend. Doch der Verein gab nicht auf und organisierte an der Berg­akademie Clausthal Spenden­sammlungen, an der sich alle studentischen Gruppen der Hochschule beteilig­ten. Doch für die geplante größere Som­meraktion fehlten noch 12.000 DM.

Werner Lauff, neben dem Initia­tor Jörg Gerster einer der engagiertesten Mitgründer des Projekts und gerade frischge­backener Diplom-Ingenieur, nutzte Kontakte zur Universität Marburg und rief dort eine Akti­on ins Leben, die in den Folge­jahren größere Bedeutung ha­ben sollte, um durch Eigeninitiat­ive mit Hilfe einer Blutspendeaktion die noch feh­lenden Eigenmittel aufzubrin­gen: „Stu­dentenblut für Berli­ner Kinder!“ 400 Studen­ten und Studentinnen sollten an zwei Tagen je 400 ccm Blut in den Behringwerken spen­den, mehr als 800 beteiligten sich schließlich an dem Vorha­ben. Jeweils 30 Mark pro Spende flossen dem Projekt zu, die Ferienaktion war gesi­chert und konnte er­folgreich durchgeführt werden. Ein Überschuss wurde anschlie­ßend genutzt für die Erweite­rung des Vereins durch eine umfangrei­che Werbeaktion an Hochschulen in Westdeutschl­and und West­berlin.

Zur Verwirklichung der Som­meraktion 1963 musste nun deutlich mehr Geld gesammelt wer­den. Im Winter 1962/63 hatten sich daher Claus­thaler Studenten – motiviert durch das im vergan­genen Som­mer so gut verlaufene Spendenauf­kommen und ausgestattet mit Plakaten, Flugblät­tern und In­formationsmappen – auf den Weg ge­macht, um an west­deutschen Hochschulen Wer­beaktionen durch­zuführen. Mit großem Erfolg: das Motto “Große Ferien mit kleinen Ber­linern” sprach an, bis­herige Aktionen hatten sich teils schon herumgesprochen, stu­dentische Verbände und Zei­tungen hatten berichtet.

Es folgte eine große Welle stu­dentischer Unter­stützung, an der sich bundesweit ca. 16.000 Stu­denten und Studen­tinnen und auch Professoren und Rektoren durch kreative Aktionen beteiligten. Das ge­meinsame Ziel, über 5.000 Kindern die Teilnahme an der Aktion zu ermög­lichen, diese fi­nanziell ab­zusichern und da­mit zugleich die Eigenständ­igkeit des Vereins zu gewähr­leisten, führte zu vielen kreati­ven Ideen:

  • Neben einer Wiederho­lung der Blutspendeakt­ion gab es Tombolen, Lotterien, Tanzfeste, verschiede­ne Wettbewerbe, Stu­dentenkabaretts und -konzerte etc.
  • Attraktion an vielen Standorten war die For­staktion: 10.000 Stu­denten und Studentinn­en zogen für Berliner Kinder einen Tag lang in den Wald, um der Forstwirt­schaft zu hel­fen; die Bundeswehr stellte Transportmittel. Der Erlös betrug 100.000 DM.
    Am 30.05.1963 zeigte die SWR-Abend­schau dazu diesen Beitrag über die Stutt­garter Stu­denten. Auch am 16.06.1964 gab es ei­nen Einsatz, der im Fernsehen dokumen­tiert wurde.
  • Ein originelles Ereignis in Freiburg war die “Trambahn-Shuffle“, ein rollendes Jazzkonz­ert in der Straßenbahn gegen Eintritt. 700 Stu­denten der Stadt, Hoch­schulrektor, Pro­fessoren und Bürger­meister unterstützten die Aktion mit viel Spaß. Ein Fernsehbei­trag dazu ist hier zu se­hen.

Das Engagement der Studen­ten blieb nicht unbe­merkt, bun­desweit erschienen wohlwol­lende Zei­tungsartikel und auch Fernsehkameras nah­men Sze­nen auf, die in Regionalnach­richten er­schienen.  Angespro­chene Firmen und Institutio­nen, vom Studentenengage­ment beeindruckt, spende­ten noch einmal die gleiche Sum­me.

Von der Idee zur Bewegung – Ausweitung des Student für Berlin auf die Bundesrepu­blik

Bis zum Frühjahr 1963 ent­standen 27 neue Arbeitsgem­einschaften (AGs) des “Stu­dent für Ber­lin e.V.” in nahezu allen westlichen Bundeslän­dern.

Aus einem kleinen Verein war so fast über Nacht eine bun­desweite studentische Bewe­gung ent­standen, die gleich­zeitig eine große Herausforde­rung für alle ehrenamtlichen (!) Beteiligten war. Das Grün­dungsteam muss­te in relativ kurzer Zeit ein Konzept und eine Struktur anhand der bis­herigen Erfahrungen und juris­tischer Erwägungen entwi­ckeln. Es musste sich sowohl als tragfähige Basis für alle Ar­beitsgemeinschaften eignen als auch die Akzeptanz seitens der Entsendestellen in Berlin erlangen, damit sie der Stu­denteninitiative die Kinder an­vertrauen konnten. Entsende­stellen waren die auftragge­benden Institutionen, die sei­tens des Senats für die Fe­rienaufenthalte verant­wortlich waren.

Vereinsziele und erste Struk­turen

Die Rechtsform eines einge­tragenen, gemeinnüt­zigen Ver­eins (Satzung 1962) gewähr­leistete eine für alle Kontakte zu öffentlichen Ämtern, Trä­gern, Versicherungen, Banken etc. erforderli­che recht­liche Grundlage. Das im § 2 der Sat­zung genannte Ziel war, „…persönliche Kontakte zwischen Studen­ten Westdeutschlands und der Berliner Bevölkerung zu schaffen. Dies soll vor al­lem durch eine all­jährlich von diesem Verein geleitete Feri­enaktion für Kinder gesche­hen.“

Organe des Vereins waren der Vorstand und die Mitglieder­versammlung, bestehend aus den sie­ben im Vereinsregister eingetragenen Vereinsmitglied­ern, die für die Einhaltung der Ziele verant­wortlich zeichneten. In enger Zusammenarbeit mit mehrmals jährlich tagenden Versammlungen von Delegier­ten der 27 Arbeitsgemein­schaften – in der Regel ihre Vorsitzenden – wurden Be­schlüsse gefasst, und bei Aus­scheiden eines der Mitglieder Neuwahlen durchgeführt.

Für die vorläufig in Clausthal angesiedelte und später örtlich wechselnde Vereinszentrale war für jeweils ein Jahr ein ei­gener Vorsitzender vorgeseh­en: Diese „Zentrale“ befand sich dann jeweils in der Woh­nung der wechselnden Vorsit­zenden. Unterstützt von ehrenamtlichen Helfern ging es neben der Ko­ordinierung der Arbeitsgemein­schaften, der Auswahl der Heime für die Durch­führung der Ferienaufe­nthalte und der Beschaf­fung und Verwaltung der Finanzen auch um die Organisation von Be­treuerkursen an den Hoch­schulorten.

Die Arbeitsgemeinschaften (AGs) an den Hoch­schulorten wählten einen Vorstand als An­sprechpartner sowie Delegier­te für die Delegiertenversamml­ung (DV), die später zur Mitgliederver­sammlung (MV) wurde. Die wichtigste Aufgabe jeder AG bestand darin, die Ferienfrei­zeiten für die ver­abredete An­zahl Berliner Kinder innerhalb ihrer Umgebung vorzubereiten und durchzufüh­ren. Dazu ge­hörte die Anwerbung und Aus­wahl künftiger Betreuer. Diese mussten vor Beginn der Feri­enaktion verbindlich an dreitäg­igen Betreuer­kursen teilnehmen und wurden von angereisten, hierzu in Vereins­seminaren aus­gebildeten Aus­bildungs-(„Schuler“)-Teams gemeinsam auf die künftigen Auf­gaben vorbereitet.

AG-Mitglieder sammelten In­formationen über alle in Frage kommenden Ferienheime in der Umge­bung, z.B. Schul­landheime und Jugendherber­gen, verhandelten mit Trägern und mieteten die Häu­ser an – in Abstimmung mit der Zentra­le, die für Fragen und bei Pro­blemen als Ansprechpartn­er zur Verfügung stand. Weiterer Schwerpunkt war bis in die 70er Jahre hinein die Teilnah­me an jährlichen Spen­denaktionen, zu denen sich die Arbeitsgemeinschaften ver­pflichteten: Sie melde­ten zuvor ge­schätzte Erlöse der Zentra­le, um eine gewisse Planungs­sicherheit für die Aktion im dar­auf folgen­den Jahr zu ermögli­chen.

Die weitere Entwicklung der Vereinsarbeit in den Folgejah­ren war mit angepassten, von Delegier­ten-, später Mitglieder­versammlungen beschlossen­en Satzungsänderungen ver­bunden.

Betreuer und Betreuerschu­lung

Der Kreis der studentischen Betreuer, zu Beginn nur männ­liche Kommilitonen der Berg­akademie, die Ferien­freizeiten für Jungen durchführten, er­weiterte sich nach Ausdeh­nung des Vereins auch um Studentinnen. Es wurden so­wohl Jungen- als auch Mäd­chen- und gemischte Kinder­gruppen be­treut – ge­mischte Gruppen bei „älteren Jahrgäng­en“ setzten sich erst später durch. Die Stu­denten kamen in den ersten Jahren aus allen Fa­kultäten, von Inge­nieurswesen, Jura, Medizin, Biologie, Wirtschaft, Soziologie bis Erziehungs- und Geistes­wissenschaften, und hatten das ge­meinsame Ziel, Sinnvol­les zu tun und sich in die­ses Gemeinschaftswerk einzubrin­gen, das sich von allen bisherig­en Betreuungskonzep­ten unter­schied.

Wie schon die professionelle Herangehensweise an den Aufbau einer bundesweiten Organisation zeigte, waren auch die Grundlagen für die Be­treuerschulungen ein be­merkenswertes Ergebnis interd­isziplinärer Zusammen­arbeit und unter­schieden sich deutlich von anderen, in ähnli­chen Berei­chen tätigen Institu­tionen. Junge angehen­de Aka­demiker trugen in mehrtägigen Seminaren aus unterschiedli­chen Perspektiven ein Wissen zusammen, das auf sorgfälti­ger Auswertung von Erfahrung­en aus bisherigen Ferienaktionen so­wie auf wis­senschaftlichen, durchs Studi­um und aus neu­ester Fachlite­ratur erworbenen Erkenntniss­en beruhte. Für Sonderfragen wurden profes­sionelle Fach­leute herangezogen.

1963, im ersten Jahr der schlagartig gewachse­nen Be­wegung „Student für Berlin“, reisten vier (!) Vereinsmitglie­der (die „Schuler“) aus Claus­thal durch das ganze Bundes­gebiet, um 15 mehrtägi­ge Schulungen durchzuführen, an denen ca. 500 angehende Be­treuerinnen und Betreuer teil­nahmen. In darauffolgenden Jahren übernah­men das meh­rere Teams, die in Schulungs­kursen auf diese Aufgabe vor­bereitet wurden.

Das gesammelte Wissen sollte auch in schriftli­cher Ausfüh­rung künftigen Schulern und Betreu­ern zur Verfügung ste­hen, und zwar in Form von themenorientierten Arbeitspa­pieren, die in der Zentrale an­gefordert werden konnten. In gebün­delter Form floss es ein in die Betreuerrichtlinien (BRL), die seit Ende 1963 von einem Ausschuss des Vereins jährlich überprüft und aktuali­siert wurden und wesentlicher Be­standteil der Betreuerausbil­dung waren. Diese Betreuerrichtlinien fanden hohe Anerken­nung so­wohl bei den Ent­sendestellen als auch bei anderen mit Kin­derbetreuung befassten Verein­en und Institutio­nen, die das Handbuch in grö­ßeren Mengen zur eigenen Verwen­dung bestell­ten. Es ging u.a. ein auf

  • Lebenssituation, Sozia­lisation und altersabh­ängige Entwicklung der zu betreu­enden Kinder und Jugendlichen
  • Verhaltenspsychologi­sche Erkenntnisse zu Einzelnen und zur Gruppe, sowohl der Betreu­ten als auch der Betreuer
  • Fragen zum Betreuer­team, Interaktion, Ab­stimmungen (in den ersten Jahren mit Lei­ter, später alle Teamer gleichberech­tigt)
  • Pädagogische Fragen zu Sexualität, Gruppen­dynamik, Integration, Auffälligkei­ten,
    Unterstützung von Selbst- und Mitverant­wortung und demokrati­scher Willensbil­dung, Rech­te und Pflichten der Betreuten und der Betreuer
  • Vor- und Nachteile ver­schiedener Betreu­ungsstile mit vielen Fallbeispielen
  • Umfangreiche Samm­lung altersgemäß ge­eigneter Spiel- und Gruppenaktivitäten
  • Umgang mit Heimel­tern, Hausordnungen, rechtlichen Fragen wie der Aufsichts­pflicht, so­wie mit eventuellen Schäden, Straftaten und sonstigen Proble­men

Kampf um die Anerkennung als förderungsfä­higer Träger von Ferienfreizeiten

Die Ablehnung des Hilfswerks Berlin, den „Stu­dent für Berlin“ zu unterstützen, endete erst mit dem Jahr 1962. Noch wäh­rend der Sommerakti­on lud der SfB zu einer Pressekonfe­renz in einen Auf­enthalt auf dem Harzer Sonnenberg ein, of­fenbar sozialpolitischer Zündstoff, denn neben Presse­mitgliedern erschienen uner­wartet über 50 Vertreter von Sozial- und Wohlfahrtsverbänd­en, die überwiegend Kritik bis hin zum Vorwurf des Größenwahns äu­ßerten, damit auch zur Skep­sis der Journalisten beitrugen und den erwünschten Erfolg behinderten.

Die Betroffenen werteten dies als politische Ab­wehr, denn ihre Kritik an der unzureichen­den so­zialen Versorgung ar­mer Berliner Kinder wurde als ein Eindringen in sozialpoliti­sche Bereiche gewer­tet, die traditionell in Händen von Ju­gendbehörden und Verbänden lagen. Studentische Hilfs­kräfte waren zwar willkommen, aber eine ei­genständige studenti­sche, keinem Verband angeh­örende Betreuungsorganisatio­n passte nicht in die sozialpoli­tische Landschaft.

Die bisherige Abwehrhaltung bis zum Misstrauen allem Stu­dentischen gegenüber blieb trotz positi­ver Stellungnahmen von angesprochenen Politi­kern, Ministern, gar des Bun­despräsidenten so­wie Perso­nen des öffentlichen Lebens bestehen. Unterstützung kam schließlich aus Wirtschaftskreis­en von Sym­pathisanten im „Arbeitskreis Spendenwesen der Deutschen Industrie”: Die so­zial engagiert­e Leiterin des Berli­ner Archivs für Wohlfahrtspfle­ge, Frau Dr. Quast, und der Ge­schäftsführer des “Stifter­verbandes für die deut­sche Wirtschaft”, Herr Dr. Nord, stellten das Hilfs­werk Berlin vor die Wahl, entweder das in ihren Augen beeindruckende Engagement des “Stu­dent für Berlin e.V.” zu unterstützen oder im dar­auf folgenden Jahr auf Industriespenden von 1,5 Millionen DM zu ver­zichten. Das brachte den Durchbruch.

Endlich kam es im Dezember 1962 zu einem ers­ten Ge­sprächsangebot seitens des Hilfswerks an den Vorstand des SfB. Ziel war es, den Ver­ein an die zu der Zeit traditio­nellen Entsendestellen Berlin­er Senat, Innere Mission, Cari­tas, AWO, DRK und DPWV (heute “der Paritätische”) zu binden und ihn zu bewegen, deren Bedarfszahlen als Grundlage für weitere Planun­gen anzu­er­kennen. Die anges­trebte Zahl von 5000 Kindern wollte das Hilfswerk garantie­ren. Der Verein sollte dafür auf den Aufbau eigener Entsende­stellen in Berlin sowie auf Wer­bung um Spenden bei bisheri­gen Förderern des Hilfswerks verzichten. Mit wel­chem Auf­wand die Akquise von Spen­den damals unternommen wurde, zeigt sich in einer dafür entworfenen Broschüre des SfB.

Die Zusage einer finanziellen Beteiligung an den Kosten für die Erholungsaufenthalte be­zog sich auf die Hälfte der Kin­der (1 DM pro Kind und Tag, sowie für die Betreuer eine Aufwandsentschädigu­ng von 100 DM pro Frei­zeit); sie war an die Bedingung einer Mit­gliedschaft im Paritäti­schen Wohlfahrtsverband ge­knüpft. Dies konnte vom SfB akzep­tiert werden unter der Voraus­setzung der Wahrung seiner weiteren Selbständigkeit, die wiederum gewähr­leistet wurde durch den hohen Anteil an selbst er­wirtschafteten Eigen­mitteln, die gleichzeitig eine große Bürde bedeutete, mit alljährlich hohen Be­lastungen für alle Beteiligten des Vereins und der Arbeitsgemeinschaf­ten.

Geplante Aktivitäten für Berli­ner Kinder wurden so in vor­handene politische, juristische und orga­nisatorische Struktu­ren eingebunden. Es kam zu einem ersten Vertrag, der künftig jährlich erneue­rt wer­den sollte. Die finanzielle Un­terstützung für den SfB floss künftig regelmäßig. Schnell war auch klar, dass der Verein wesentlich billiger arbeitete als etablierte Wohl­fahrtsorganisationen, die teil­weise große Ferienheime für Hunderte Kinder mit entspre­chend hohen Perso­nal- und Unter­haltungskosten vorhiel­ten. Das studentische Konzept mit kleinen Gruppen in günsti­gen, nur zeitweise angemiete­ten Heimen und einer Auf­wandsentschädigung von nur 100 DM pro Betreuer hatte demgegenüber unbestreit­bare Vorteile.

Viele Jahre später wertete Werner Lauff die Verhandlung­en als faire Auseinanderset­zung und Hilfe der etablierten Sozialarbeit für den noch jun­gen Verein, mehr strukturelle und po­litische Klarheit für sei­ne künftige Arbeit zu gewin­nen. Andererseits habe diese Vereinbarung aber auch zu größerer Abhängigkeit geführt.

Zusammenfassend kann man sagen, dass mit dem Jahr 1963 die Gründungsphase des Vereins „Student für Berlin e.V.“ abgeschlossen war. Der SfB hatte sich als förderungs­würdige soziale Or­ganisation etabliert, auch wenn er bei vie­len der traditionellen Sozial- und Wohlfahrtsverbänden wei­terhin als Paradiesvogel galt.

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